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Redebeitrag H. Schiller zum Antrag "100% Erneuerbare Energie Stadt Solms"

Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

  • Bürgerinnen und Bürger in Solms beziehen ihren Strom von der Solmser Energie­genossenschaft, der aus dem Solarpark, einer Wind­kraftanlage und zahlreichen Bürgersolaranlagen produziert wird,
  • die Solmser Stadtwerke versorgen die Haushalte mit der Wärme aus ihren organischen Abfallanlagen und Erdwärmespeichern,

  • in der Innenstadt von Oberndorf und Burgsolms bewegt sich der Verkehr in der 30-ger Zone lautlos und emissionsfrei,

  • der Fuhrpark der Stadt Solms wird an der Solartankstelle "Galgenberg" betankt,

  • PS-starke Verbrennungsmotoren finden die jungen Solmser total uncool, der Besitz eines eigenen Autos wird eher als unkluge Belastung empfunden,

  • das letzte überlebende Autohaus in Solms bietet ein gut organisiertes Car-Sharing an,

  • in der Ortsmitte von Burgsolms wird der Neubau eines Mehr­gene­ra­tio­nen­hauses eingeweiht, das im Passivhaus-Standard gebaut wurde und keine Heizung benötigt,

  • das Solmser Stadtparlament verschiebt den Sitzungsanfang der Stadt­ver­ordnetenversammlungen auf 19.30 Uhr, damit auch die Stadt­ver­ord­ne­ten pünktlich erscheinen können, die mit ihren Fahrrädern und e-Bikes aus Niederbiel und Oberbiel kommen.

 

Viele von Ihnen werden dieses Szenario sicher als groben Unfug, grüne Spinnerei oder unrealistische Utopie abtun - ich gebe zu, auch ich habe bei einigen Punkten meine Zweifel!

 

Aber ich halte den Kritikern und Zweiflern entgegen:

Die meisten von uns hätten es vor wenigen Jahren für undenkbar gehalten, dass im Jahr 2011 ein 3 Megawatt starker Solarpark in Solms ans Netz geht und eine Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung an dieser Anlage die Taunushalle füllt!

Damit will ich sagen, dass auch unserem Antrag, den wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion einbringen ein hohes Maß an Fantasie und eine große Portion Optimismus zugrunde liegen.

Aber er knüpft durchaus an eine Reihe von zukunftsweisenden energe­tischen Einzelinitiativen in unserer Stadt an:

So haben in den letzten 10 Jahren eine beachtliche Zahl von Privat­per­so­nen eine Photovoltaikanlage oder auch eine thermische Solaranlage auf ihrem Haus installiert. Es wurde 2009 eine Bürgersolaranlage in Oberbiel in Betrieb genommen und nun steht der eindrucksvolle Solarpark am Galgenberg kurz davor ans Netz zu gehen und sauberen Strom zu produzieren.

Aber auch in Bezug auf das Einsparen, die Energieeffizienz, lassen sich einige Ansätze nennen:
Neben etlichen privaten Initiativen zur Gebäudedämmung und Heizungs­sanierung hat auch die Stadt einige einzelne Projekte vorzuweisen. Die Kraft-Wärme Koppelung durch Blockheizkraftwerke im Schwimmbad und in der Verwaltung, die teilweise energetische Sanierung der Kindergärten im Rahmen des Konjunkturpaketes (hier war für die Grünen allerdings mehr möglich) und die auf gutem Energiestandard geplante Kinderkrippe in Albs­hausen.

Es gibt also bereits eine Reihe von Handlungsansätzen in Solms, auf die wir aufbauen können. Inzwischen werden ca. 12% des in Solms verbrauch­ten Stroms aus erneuerbarer Energie gewonnen. Das ist noch eher beschei­den und reicht angesichts der energie- und klimapolitischen Erkenntnis bei weitem nicht aus.

Nach Fukushima und dem politisch in breitem Konsens beschlossenen Atomausstieg hat sich der gesellschaftliche Umwälzungsprozess enorm beschleunigt. Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hält eine grundsätzliche Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien für notwendig und auch konkret umsetzbar.

Zwei Faktoren stehen dabei im Vordergrund:

Zum einen bietet die Umgestaltung hin zu Erneuerbaren Energien die Chance zu einer dezentralen Struktur – also weg von den Großkraftwerken von 4 Energiemonopolisten hin zu vielen kleinen privaten und kommunalen Einheiten zur Energiegewinnung. Der Vorteil dabei liegt auf der Hand:
Die sog. Wertschöpfung bleibt vor Ort und den Bürgern bieten sich die Möglichkeit der Beteiligung und der Einflussnahme.

Zum anderen deuten seit vielen Jahren die wissenschaftlichen Erkennt­nisse zum Klimawandel und die große Mehrheit der Schlussfolgerungen darauf hin, dass ein enormer Handlungs- und Zeitdruck besteht, die fossile Verbrennung und damit den CO2 Ausstoß möglichst schnell und möglichst weitgehend zu vermindern.

 

Dieser Situation soll unser Antrag Rechnung tragen. Er sollte keinesfalls als "Schaufensterantrag" abgetan werden – vielmehr formuliert er eine mög­lichst verbindliche und überprüfbare Zielvorgabe für die nächste 20 Jahre kommunaler Anstrengung auf dem Energiesektor. Er soll die Ernsthaftigkeit dafür dokumentieren, dass wir die epochale Herausforderung eines über­lebens­wichtigen Wandels annehmen und anerkennen, dass für die Umsetzung verdammt wenig Zeit verbleibt.
Dabei müssen vor allem in einem Informations- und Meinungsaustausch mit allen Akteuren die Bürgerinnen und Bürgern, Handel, Gewerbe und Handwerk für diesen Weg gewonnen werden. Nur so ist ein kommunaler Konsens und damit eine gemeinsame Anstrengung für die Umsetzung dieses Ziels vorstellbar. Das Projekt „Ab in die Mitte“ hat doch eindrucks­voll gezeigt, wie eine starke Beteiligung in unserer Stadt möglich ist, wenn die gemeinsamen Interessen formuliert und die notwendigen Impulse gegeben werden!

Deshalb halten wir auch die Beteiligung unserer Stadt am Projekt 100% Erneuerbare Energien-Region für hilfreich und sinnvoll. Es ist ein Kompe­tenz­netzwerk von Regionen und Kommunen, die ihre Energieversorgung auf lange Sicht vollständig auf Erneuerbare Energien umstellen wollen. Derzeit gibt es bereits über 100 Landkreise, Gemeinden und Regionen in Deutschland, die dieses Ziel verfolgen. Dieses Projekt unterstützt enga­gierte Kommunen durch Informations-, Beratungs- und Vernetzungs­leistung. Es wird gefördert durch das Umweltministerium und fachlich betreut durch das Umweltbundesamt.

Der politische Pionier der gesellschaftlichen Umgestaltung in ein solares Zeitalter mit erneuerbaren Energien, Hermann Scheer hat in seinem letzten Buch "Der energetische Imperativ. 100% jetzt" geschrieben:
"Der Wechsel zu erneuerbaren Energien hat eine zivilisationsgeschichtliche Bedeutung. Deshalb müssen wir wissen, wie wir ihn beschleunigen können. Knapp sind nicht die erneuerbaren Energien, knapp ist die Zeit".

 

Die Fraktion Bündnis90/die Grünen und die Fraktion der SPD bittet sie deshalb unserem Antrag zuzustimmen.



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