Stellungnahme H. Schiller zur Offenlegung des Teilregionalplanes Energie

Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit der Anhörung und Offenlegung des Teilregionalplanes Energie Mittelhessen hat die beschlossene Energiewende auch für unsere Stadt Solms eine neue Dynamik und die Möglichkeit der konkreten rechtlichen Planungen für geeignete Standorte zur Gewinnung von erneuerbaren Energien bekommen.

Mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Solms am 8.11.2011 bis 2020 mindestens 35% und bis 2030 100% der verbrauchten Energie lokal zu erzeugen hat sich die Stadt ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Diese Zielvorgabe wird aber nur dann erreichbar sein, wenn wir die Möglichkeiten, die sich uns aufgrund der lokalen geographischen und klimatischen Möglichkeiten ergeben, auch optimal nutzen werden. Im Moment liegt der erreichte Prozentsatz noch bei 12% – damit immerhin erheblich über dem hessischen Durchschnitt von nur 5% – allein die Hälfte der erneuerbaren Energie steuert hierbei unser Solarpark am Galgenberg bei.
Aber: Den Anteil von 12% auf 35% in noch verbleibenden 7 Jahren zu steigern bleibt eine gewaltige Aufgabe.

Jetzt müssen wir also auch „Farbe bekennen“, denn der allgemeinen Absichtserklärung muss nun auch der politische Wille zu konkreten Standortentscheidungen folgen.
Das wird mit Sicherheit auch zu schwierigen Zielkonflikten führen.
Interessen des Naturschutzes, der Landwirtschaft, Ansprüche an das Landschaftsbild und Einschätzungen der Wirtschaftlichkeit werden nicht überall mit dem notwendigen Ziel der Energiewende zu 100% vereinbar sein. Wir sollten aber zwei Punkte im Auge behalten:

  • Vor allem die notwendige Energiewende selbst stellt einen elementaren Beitrag zum Natur- und Klimaschutzschutz dar.

  • Wir alle erwarten auch von den erneuerbaren Energien eine lückenlos angebotene Energieversorgung rund um die Uhr!

Ganz ohne Kompromisse und ohne politische Mehrheitsentscheidungen wird es also auch in Solms nicht ausgehen.

Nun geht es heute um die Stellungnahme unserer Stadt im Rahmen der eingangs genannten Anhörung.
In der Beschlussvorlage sind die einzelnen Empfehlungen für eine Stellungnahme zu konkreten Planungen in Solms in 5 Punkten (a) - (e) aufgeführt: Ich will unsere Haltung zu den einzelnen Punkten erläutern:

Die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen und der SPD schließen sich der Empfehlung im Punkt (a) an, die wertvolle Ackerlandfläche zwischen Niederbiel und der B 49 als Vorbehaltsfläche für Photovoltaik nicht zu befürworten. Wir sind der Auffassung, dass wir genügend andere geeignete Flächen besitzen, die für Photovoltaikanlagen geeignet sind. Es gibt noch sehr viele ungenutzte Dachflächen, sowohl privat als auch im gewerblichen Bereich, die genutzt werden sollten.

Deshalb unterstützen beide Fraktionen auch den Beschlussvorschlag (b), entlang der L 3020 zwischen Niederbiel und Leun eine Vorbehaltsfläche für Photovoltaik auszuweisen. Es ist eine stark mit Schwarzdorn verbuschte Fläche, nicht so groß wie die im Regionalplan vorgesehene, aber im Verbund mit anderen auch aus unserer Sicht ein besser geeignetes Areal.

Auch Punkt (c) der Beschlussvorlage unterstützen die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen und der SPD. Sie empfehlen eine Prüfung der Möglichkeit, den schon bestehenden Solarpark am Galgenberg um die Fläche 2147 oberhalb der Anlage zu erweitern. Hier handelt es sich um den oberen Teil einer schon energetisch genutzten Konversionsfläche, die als Vorbehaltsfläche ausgewiesen werden könnte.

Bei der Entscheidung zu möglichen Standorten für Windenergieanlagen gibt es offensichtlich die stärkste kontroverse Diskussion in Solms.
Grundsätzlich muss man zur Kenntnis nehmen, dass Windkraftanlagen bezüglich der Wirtschaftlichkeit und des Flächenverbrauchs der Photovoltaik überlegen sind. Zum anderen sind sie als Baustein für einen Energiemix unverzichtbar. Die Sonne scheint nun mal nicht am Abend und schon gar nicht in der Nacht, wenn die Energienachfrage der privaten Haushalte noch erheblich ist. Ebenso kann die Windkraft jahreszeitliche Schwankungen der Photovoltaik ausgleichen. Auch für unsere Stadt muss daher für ein vernünftiges Energiekonzept auch die Windkraft eine wichtige Rolle spielen.
Zwei Standorte sind im Rahmen der Stellungnahme unter den Punkten (d) und (e) in der Diskussion:

  • Zum einen der Standort Weidfeld.

    Hier sieht der Teilregionalplan eine Wind-Vorrangfläche vor. Wir müssen allerdings von Einschränkungen bei der sog. Windhöffigkeit ausgehen. Die Windgeschwindigkeiten werden aufgrund der relativ geringen Höhenlage nur mit 5,5 m pro sec. angenommen – im Prinzip ist das wirtschaftlich betrachtet ausreichend, die von der Hessischen Landesregierung veröffentlichten Leitlinien bezüglich Windkraft haben den Schwellenwert allerdings von ursprünglich 5,5 auf 5,75 angehoben. Man sieht daran, diese Festsetzungen sind auch Ausdruck von politischen Haltungen und augenblicklichen Wirtschaftlichkeits-Prognosen. In Bayern wird eine ausreichende Windhöffigkeit beispielsweise ab 5,0 m pro sec. angenommen.

    Einwände, dass das Weidfeld als Bergsenkungsgebiet kein geeigneter Standort ist, können kein grundsätzliches Ausschlusskriterium sein. Dies ist eher eine Frage des konkreten Standortes und der entsprechenden Gründung eines Windrades.

    Zum anderen sollte man die rasante technische Entwicklung im Bereich der Windenergie nicht unterschätzen. Schon bald könnten Windräder, die sich um eine vertikale Achse drehen und deutlich weniger konstante Windstärke benötigen, in den Bereich der Wirtschaftlichkeit kommen.

    Bedenken sollten wir auch: Auch wenn in anderen Regionen, z.B. auf der Nordsee, Windkraftanlagen natürlich einen besseren Wirkungsgrad haben, so muss dieser dort gewonnene Strom erst einmal hierher geleitet werden. Die damit verbundenen erheblichen Leistungsverluste und enormen Leitungskosten müssen bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit einfließen. Ganz zu schweigen von den massiven Folgeeingriffen in die Natur durch den dann notwendigen Bau von Stromtrassen quer durchs ganze Land.

    Eine eigene aktive lokale Energiegewinnung hätte noch einen weiteren wichtigen Vorteil: Es entsteht dabei, wie bei unserer Energiegenossenschaft Solmser Land, die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger, auch unter Beteiligung der Kommune, selbst ein Energieunternehmen in Form einer Genossenschaft betreiben. Das Beispiel unseres Solarparks zeigt durch seine aktuelle erfolgreiche Bilanz, wie die Wertschöpfung aus Erneuerbaren Energien in der Region bleibt, wenn auch das investierte Kapital aus der Region kommt. Investieren allerdings RWE oder E.ON, diktieren diese unsere Strompreise und die Gewinne sammeln sich auf den Konten dieser Energiemonopolisten.

    Angesichts dieser weitreichenden Möglichkeiten sollte ein möglicher Standort Weidfeld nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

    Aus Sicht von Bündnis90/Die Grünen und der SPD sollte das Weidfeld als Vorbehalts- und nicht als Vorrangfläche für Windenergieanlagen ausgewiesen werden. Da die Stadt nur teilweise im Besitz der möglichen Flächen in diesem Gebiet ist, hätte sie so mit eigenem Planungsrecht Einfluss auf den möglichen Bau von Windkraftanlagen am Standort Weidfeld.

  • Für den Bereich „Bieler Burg“ hat der Teilregionalplan keine Windkraftfläche vorgesehen, da es sich hier um ein FFH-Gebiet handelt.

    Aus naturschutzrechtlicher Sicht ist diese Entscheidung durchaus gerechtfertigt, allerdings würden wir damit das wohl am besten geeignete Gebiet für die Nutzung der Windkraft verlieren. Bei dieser Planungsentscheidung müssen wir zwischen zwei gegeneinanderstehenden Naturschutzzielen abwägen:

    Wir können unsere selbstgesteckten Klimaschutzziele nur erreichen, wenn wir die wenigen eigenen Flächen auch nutzen. Dafür sind aber auch an der einen oder anderen Stelle Eingriffe in Naturschutzräume unvermeidlich – Eingriffe im Übrigen, die für viele Bürgerinnen und Bürger beim Ausbau von Straßen und der Ausweisung von Neubaugebieten durchaus akzeptiert werden, aber aus unserer Sicht oftmals grundsätzlich viel fragwürdiger sind!

    Schwierig und schnell irrational wird die Diskussion dann, wenn bei jeder konkreten Standortplanung die dortigen Naturschutzinteressen über das Gesamtinteresse gestellt werden. Dann sind wir schnell am Punkt „Sankt-Florians-Prinzip“. Energiewende ja, aber bitte nicht in unserem Stadtteil!

    Die Beispiele am Köhlerberg in Schöffengrund aber auch einige Wortbeiträge in der Bürgerversammlung in der Taunushalle zeigen mir auch, wie schnell die lange verborgene Liebe zum Rotmilan und zur Gelbbauchunke entdeckt wird, wenn es darum geht, vor der eigenen Haustür alles so vertraut lassen zu wollen wie es ist. Dann kommt der Strom mal eben wieder aus der Steckdose!

    Die Bürgerbeteiligung ist allerdings durchaus ernst genommen worden. Ohne sie und ohne eine positive Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger ist eine erfolgreiche Umsetzung auch nicht möglich. Ortsbegehungen und Bürgerversammlungen haben die Diskussion und die Argumente beeinflusst. Man sieht es beispielsweise an der Standortfrage der Solarflächen oder der Einschätzung der Planungsmöglichkeiten auf dem Weidfeld.

    Trotzdem ist es unsere parlamentarische Aufgabe das städtische Gesamtinteresse im Auge zu haben und abweichende Einzelinteressen daran zu messen.

    Wir Grüne orientieren uns bei dieser Standortfrage am übergeordneten Interesse einer erfolgreichen und dringend erforderlichen Energiewende. Wir nehmen grundsätzlich zur Sicherstellung unseres Energiebedarfs deshalb Windkraftanlagen an der „Bieler Burg“ oder auf dem“ Weidfeld“ in Kauf anstatt umweltbelastender Kohle- oder gar Atomkraftwerke.

    Gleichzeitig stehen wir für eine dezentrale Organisation der Energieerzeugung. Sie gibt uns vor allem selbst die Fähigkeit zur Steuerung und bietet den Bürgerinnen und Bürgern und der Stadt Solms die Möglichkeit, von der Wertschöpfung auch selbst zu profitieren.

    In der Vorlage (e) der Beschlussempfehlung geht es zunächst einmal nur um die Prüfung der Tauglichkeit der Fläche an der „Bieler Burg“, ich betone die Prüfung – eine Veränderung des Regionalplanes an dieser Stelle ist nach dem schon intensiven Vorlauf in der Beteiligung der Naturschutzverbände ohnehin äußerst unwahrscheinlich. Allerdings sehen wir in der Prüfungsaufforderung ein deutliches Signal, dass wir es in Solms mit der beschlossenen Energiewende und unseren eigenen Vorgaben auch ernst meinen.



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