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Haushalt 2015 – Redebeitrag Hannes Schiller am 09.12.2014

Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last.

Dieses Zitat von Friedrich Schiller aus seinem „Wilhelm Tell“ kommt mir in den Sinn, wenn ich an die Situation der kommunalen Haushalte denke!

Erneut weist der Haushaltsplan – so wie in den Jahren zuvor – ein deutliches Defizit auf: Diesmal sind es knapp 2,5 Mio. Euro, die wir mehr aufwenden wollen oder auch müssen, als wir an Erträgen voraussichtlich einnehmen werden.

Für den Bürger ist es sicher schwer verständlich, dass in der Stadt Solms trotz einer Steigerung der Erträge um mehr als 2,2 Mio. Euro kein – und noch nicht einmal ein annähernd – ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden kann. Auch wenn ein Teil der Höhe des Defizits mit den Verzerrungen zusammenhängen, die aus dem Wegbrechen der Gewerbesteuereinnahmen und der noch gleich­zei­tig hohen Umlageabgabe entstehen – so bleibt doch die Tatsache, dass es nach wie vor mehr Ausgaben als Einnahmen gibt.

Wie ist das zu erklären?

  • Liegt es am noch viel zu hohen Anspruchsniveau bei den Leistungen der Kommune?
  • Liegt es am mangelnden Einspar- und Konsolidierungs­willen der politisch Verantwortlichen?
  • Liegt es an der grundsätzlichen Unterfinanzierung der Kommune durch die zu geringen Mittel aus den Umlage­systemen des Finanzausgleichs?

Wir müssen uns der Frage stellen, welche Maßnahmen noch aus eigener Kraft möglich sind und wo sich die Grenzen durch die steuerpolitischen Rahmenbedingungen durch Bund und Länder zeigen.

In der Bewertung der vorliegenden Haushaltssatzung will ich versuchen, diesen Fragen nach­zu­gehen und in der Analyse der Finanzsituation der Stadt Solms den Begriff der „Solidarität“ als zentralen Wertmaßstab in den Mittelpunkt stellen.

Ich werfe zunächst einmal einen Blick auf die Leistungen der Stadt Solms:

Bei der Einbringung des Haushaltes hatte unser Bürgermeister Frank Inderthal eindrucksvoll auf­ge­listet, wofür unsere Stadt ihr Geld ausgibt und dies mit den jeweiligen Kennzahlen die Kosten und Erträge hinterlegt. Die vielfältigen Bereiche angefangen von der notwendigen Daseinsvorsorge bis hin zu einer guten sozialen Infrastruktur zeigen mir mit Gewissheit: Solms ist eine lebenswerte und leistungsfähige Kommune. Sie hat vielfältige, oft gerade auf die einzelnen Stadtteile konzentrierte Angeboten und Leistungen, die sich bewährt haben und geschätzt werden.

Aber gerade hier liegt auch ein erhebliches Haushaltsproblem:
Wir haben zunehmend das Geld dafür nicht mehr! Wir werden uns bei realistischer Betrachtung der Einnahme­entwicklung diese anspruchsvollen Strukturen wohl nicht mehr in diesem Umfang leisten können. Ich denke an die unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen, Hallen, Plätze und Freizeit­hütten, an den Brandschutz mit den unterschiedlichen Feuerwehrstützpunkten, an die Sportplätze und Sportstätten in allen Stadtteilen.

Es wird Überlegungen zu strukturellen Veränderungen geben müssen, die unsere Infrastruktur leistungs­fähig erhält, aber trotzdem finanziell verantwortbar bleibt.

Das klingt zugegebener Maßen nach der Quadratur des Kreises!

Zunehmend kommt es deshalb darauf an, den Blick auf die ganze Kommune zu richten, auf eigenes Engagement und auf solidarisches Handeln der Solmser Bürger. Und da hat es doch eine aus­ge­sprochen erfreuliche Entwicklung gegeben. Mit Recht erinnert unser Bürgermeister Frank Inderthal bei so mancher Leistungsforderung an die Stadt an einen wichtigen Gedanken: Wir – alle Bürgerinnen und Bürger – sind die Stadt Solms.

Diese Erkenntnis und das Aufgreifen von Bürgermotivation hat ja schon zu hervorragenden Ergeb­nissen geführt:

  • das Projekt „Ab in die Mitte“,
  • die Patenschaften für Pflanzinseln,
  • die Initiative „Tretbecken“,
  • der „Förderverein Schwimmbad Solmser Land“

Bürgerinnen und Bürger sind also ganz eindeutig bereit, Solidarität mit ihrer Stadt zu leben und sich einzubringen. Damit tragen sie auch zu einer Haushaltsentlastung bei und zum Erhalt einer sehr geschätzten und gewünschten sozialen Infrastruktur.

Eine solche geschätzte Einrichtung ist gerade das Solmser Schwimmbad. Kaum jemand kann sich ernst­haft vorstellen, das Bad zu schließen und auf das soziale, gesundheitliche und sportliche Angebot für Groß und Klein zu verzichten. Ein großer Teil der Maßnahmen, die dem Magistrat durch die Stadtverordnetenversammlung vorgegeben waren, sind inzwischen umgesetzt. Im Jahr 2015 gilt es nun, die notwendigen Reinigungsarbeiten auf den Förderverein zu übertragen und damit den städtischen Zuschussbedarf weiter zu begrenzen. Hier wird der Förderverein sicher noch stärke­re Solidarität und die Unterstützung vieler weiterer Bürgerinnen und Bürger benötigen.

Eine weitere sehr kostenintensive städtische Leistung ist die Unterhaltung der Verkehrswege. In diesem Bereich ist seit geraumer Zeit ein beträchtlicher Investitionsstau entstanden, viele frühzeitige Unterhaltungsmaßnahmen sind angesichts der knappen Kassen immer wieder verschoben worden. Gleichzeitig ist das Wasser- und Abwasser­ver­sor­gungs­system im Stadtgebiet auch in die Jahre gekommen. Die Sanierung darf bei entsprechenden Schadensklassen nicht beliebig aufgeschoben werden. Die Situation am Pfaffenrain und der Burgsolmser Straße hat das Problem der Finanzierung bzw. der Anwendung der geltenden Straßen­beitrags­satzung deutlich gemacht. Hier hat die Stadt aus verschiedenen Gründen auf die Anwendung der bestehenden Satzung verzichtet.
Ihre Anwendung hätte den Haushalt spürbar entlasten können, andererseits viele Bürger vor ein großes finanzielles Problem gestellt. Die geltende Satzung mit einem einmaligen Straßenbeitrag gibt es seit den 90-er Jahren und wurde 2003 neu gefasst – allerdings kam sie nie zur Anwendung.
Nun ist die Anwendung Teil der verpflichtenden Sparmaßnahmen und der Sanierungsdruck von Straßen und Wasser/Abwasser nimmt deutlich zu. Der Fliederweg und der Sulmisheimer Weg stehen oben auf der Prioritätenliste. Weitere Straßen werden mit Sicherheit zeitnah folgen.
Nach ernstzunehmenden Einwänden der betroffenen Bürgerinnen und Bürger und intensiver Diskussion in den Gremien ist auf Antrag der Grünen und der SPD im Haupt- und Finanzausschuss die Maßnahme Flieder­weg aus den Investitionen 2015 herausgenommen worden und soll bis 2017 verschoben werden.

Aus Sicht meiner Fraktion sollte jetzt zeitnah über die Möglichkeit einer veränderten Beitrags­sat­zung diskutiert und befunden werden. Wünschenswert wäre es nach unserer Auffassung in Zukunft einen solidarischen und regelmäßigen Straßenbeitrag ein­zu­führen. Er würde betroffene Bürger nicht vor kaum lösbare finanzielle Schwierigkeiten stellen. Die anstehende Größen­ordnung der not­wen­digen Straßensanierungen spricht zusätzlich dafür, sich mit einer wiederkehrenden Satzung aus­ein­ander zu setzen.

Auch die sanierungsbedürftigen Straßen sind Straßen aller Solmser Bürger, sie werden von vielen Bürgerinnen und Bürgern mitgenutzt und mit abgenutzt. Notwendige Straßensanierungen sind also in Aller Interesse und sollten daher solidarisch auch auf alle umgelegt werden.

Eine herausragende Leistung der Stadt Solms ist die Kinderbetreuung in den Kindertagesstätten. Hier wurde ein flexibles und an den Bedürfnissen der Eltern orientiertes Angebot entwickelt, das sehr gut angenommen wird und daher auch vollkommen ausgelastet ist. Die Stadt hat viel Geld in eine energiesparende Sanierung, eine moderne Ausstattung und gute personelle Versorgung investiert.

Das Angebot hat allerdings auch seinen Preis – es kostet im Jahr rund 3,6 Mio. Euro. Von diesen Kosten übernehmen Bund und Land ca. 1 Mio. Euro, die Gebühren der Eltern liegen bei 600.000. Der städtische Haushalt muss somit einen Zuschuss von knapp 2 Mio. Euro aufbringen. Dies ist mit Abstand die größte Einzelausgabe im Haushalt und eine völlige Überforderung der kommunalen Leistungs­fähigkeit und erklärt schon fast allein das dauerhafte Defizit unseres Haushaltes.

Von 2010 bis 2015 – also im Zeitraum von nur 5 Jahren – hat sich der städtische Zuschuss für diesen Bereich von einer Mio. Euro  auf jetzt 2 Mio. Euro verdoppelt!

Die berechtigten gesellschaftlichen Ansprüche an eine familien­freundliche Gesellschaft werden hier in unzumutbarem Anteil der Kommune zugeschoben, Land und Bund bestimmen zwar die wachsenden inhaltlichen Standards und die damit steigenden Kosten, beteiligen sich aber völlig unzureichend an der Finanzierung.

Soviel zum Konnexitätsprinzip.

Hier liegt ein offensichtlicher Mangel an gesellschaftlicher und politischer Solidarität vor! Bund und Länder zwingen die Kommunen vielmehr gleichzeitig, ihre Defizite mit dem Anheben von kommunalen Steuern und Gebühren zu begegnen. So hat auch die Mehrheit dieses Parlamentes eine Gebühren­erhöhung für die Kitas mit Langzeitwirkung beschlossen. Betriebs­wirt­schaftlich betrachtet nach­voll­ziehbar, gesellschaftlich jedoch eine Entwicklung in eine Richtung, die wir für falsch halten.
Zudem kann diese Mehreinnahme das strukturelle Problem auch nicht annähernd lösen, es senkt etwas das Defizit, behindert damit aber eher eine richtige Lösung.
Die Erziehung und Betreuung der Kinder ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Zukunfts­inves­tition. Sie sollte unter dem Aspekt der Solidarität nicht mit Hilfe von Gebühren, sondern aus Steuer­mitteln – wie bei Schule und Hochschule - von allen finanziert werden.



Haben wir als politisch Verantwortliche genügend getan, um einem ausgeglichenen Haushalt näher zu kommen? Wie sahen die Anstrengungen bisher aus?

Seit 2009 hat die Stadt über 4 Mio. Euro an Konsolidierungsleistung erbracht. Für die nächsten Jahre bis 2018 sind im Rahmen des Haushalts­sicherungs­konzeptes jährlich knapp 1,4 Mio. Euro vor­gesehen. Wenn die Kommunalaufsicht von Konsolidierung spricht, meint sie natürlich auch die Erhöhung von kommunalen Gebühren und Steuern. Auch hier sind wir in den Ausschüssen – gerade bei der Grundsteuer B bis deutlich an die Schmerzgrenze gegangen. Damit spart die Stadt Solms bezogen auf Einwohner und Jahr mehr ein, als es den Schutzschirmkommunen abverlangt wird. Da hätte man ja doch eigentlich auf Erhöhungen von KIGA-Gebühren verzichten können.

Erwähnen sollte man aber auch die mittel- und langfristigen positiven Effekte, die durch die Ent­wick­lung des Gewerbegebietes Mittelbiel für Gewerbesteuereinnahmen entstehen können. Auch andere Investitions­maßnahmen bezüglich der Baugebiete an der Lahnstraße oder unterhalb der Viehgräben sollten sich vorteilhaft auf die demographische Entwicklung der Stadt auswirken.
Insofern haben die politischen Gremien der Stadt nicht nur auf einseitiges Einsparen und Steuer­er­höhungen gesetzt, sondern auch auf eine zukunftsorientierte Entwicklung der Stadt.



Es bleibt die Frage nach übergeordneten Ursachen des Defizits durch das augenblickliche System des Finanzausgleichs.

Die Zahlen dieses Haushaltes belegen eine Unterfinanzierung der Stadt Solms. Wenn zwar mehr über Schlüsselzuweisung und Einkommenssteueranteil eingenommen wird (8 Mio.), aber gleichzeitig durch ein Umlagesystem mehr als diese Einnahmen wieder abzuführen sind (8,5 Mio.) hat die Stadt ein strukturelles Problem.

Zusätz­lich zeigen die enormen Zuschüsse im Bereich der Kinder­be­treuung der Stadt, dass sie über keine aufgaben­gerechte Finanz­aus­stattung verfügt. Diese finanzielle Knebelung durch Bund und Länder verstößt offensichtlich gegen das in der Verfassung garan­tierte Recht auf kommunale Selbst­ver­waltung und nimmt ihr eigene Entscheidungsmöglichkeiten. Schon allein deshalb ist ein wahr­nehm­barer Protest auf unserer Ebene notwendig. Klagen der Kommunen – immerhin mit dem Ergebnis des sogenannten Alsfeld-Urteils – sind notwendig und weitere Schritte sollten folgen.

Unser Parlament hatte sich mit einer Resolution zu Wort gemeldet. Wir haben dies gemeinsam in der Erkenntnis getan, dass unter den gegebenen Strukturen die Stadt ihren Aufgaben nur nach­kommen kann, wenn sie weiter Schulden macht. Selbst die zusätzliche Belastung der Bürger durch kommu­nale Gebühren- und Steuererhöhungen konnte daran nichts ändern.
Auch die Bürgermeister der HSGB Kreisversammlung haben sich letzte Woche gemeinsam zu Wort gemeldet und eine stärkere Beteiligung von Land und Bund bei der Kinderbetreuung eingefordert.

Aber es geht bei der Veränderung dieses Miss­standes nicht nur um eine Verteilungsfrage zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Denn ebenso wie die meisten Kommunen, sind auch die Länder und der Bund verschuldet oder gar überschuldet. So wird sich weder der Bund noch das Land Hessen angesichts einer beschlossenen und gesetzlich verankerten Schuldenbremse zu einer Ände­rung der Lastenverteilung zu Gunsten der Kommunen bewegen lassen.

Notwendig wäre gleichzeitig eine veränderte solidarische Steuerpolitik. Sie muss dafür sorgen, dass die Einnahmen des Staates vor allem durch diejenigen verbessert werden, die über finanzielle Mittel im Überfluss verfügen. 10% der Deutschen verfügen über 2/3 des gesellschaftlichen Vermögens.

Eine Schuldenbremse, ohne jeden Eingriff in das aktuelle Steuersystem führt zu einer Umverteilung von unten nach oben, indem die Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen diese mit steigenden Steuern und Gebühren oder Leistungseinschränkungen bezahlen müssen.

Der wachsenden Zahl von Menschen mit sehr großen Vermögen sollte daher ein stärkerer steuer­licher Beitrag abverlangt werden, damit die finanziellen Mittel nicht in Steuerparadiesen landen müssen, sondern dorthin kommen können, wo sie gebraucht werden.

Das wäre ein gesamtgesellschaftliches Zeichen von Solidarität!

Wenn dies gelingt, wird auch in Solms eine seriöse schwarze Null wieder möglich sein. Unter den gegebenen Umständen muss man aus unserer Sicht von einem verantwortungsvoll aufgestellten Haushalt für 2015 sprechen. Er verlangt den Bürgerinnen und Bürgern einiges ab, erhält aber noch grund­sätzlich die bestehende Infrastruktur und verlässt sich zu Recht auf die solidarische Unter­stützung vieler Solmser Bürgerinnen und Bürger.

 

Bündnis 90/die Grünen stimmen der vorgelegten Haushaltssatzung, dem Investitionsplan und dem Haushaltssicherungskonzept zu.



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